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Trotzphase oder Autonomiephase? Deine Haltung ist entscheidend

kind in rosa pullover

“Trotzphase oder Autonomiephase? Was ist denn nun richtig? Ist das nicht das Gleiche?
Ist nicht egal wie man das nennt?” Ganz und gar nicht. Denn welche Bezeichnung du wählst zeigt, welche Haltung du deinem Kind gegenüber in dieser Phase hast.

Ich weiß aus Erfahrung, dass es ist nicht immer leicht ist, ein Kind durch diese Zeit zu begleiten. Wenn es alles alleine machen will, aber die Zeit drängt. Wenn es noch nicht vom Spielplatz nach Hause gehen möchte, du aber schon merkst, dass es total müde ist und die Stimmung zu kippen droht. Oder wenn dein Kind sauer wird und nicht weiß wohin mit seiner Wut.
All das macht dein Kind nicht um dich zu ärgern, oder dich zu provozieren. Auch wenn es sich vielleicht manchmal so anfühlt.
Das Gegenteil ist der Fall. Deshalb kommt es stark auf deine innere Haltung an, ob sich dein Kind gesehen und begleitet fühlt. Im Folgenden erfährst du, was genau es damit auf sich hat und worin die Unterschiede von Trotzphase und Autonomiephase liegen.

Die Trotzphase

Warum hat diese Zeit so einen schlechten Ruf und was steckt dahinter? Ploppen bei dir auch Bilder von motzenden und weinenden Kindern auf, wenn du das Wort “Trotzphase” liest? Dann hat das wahrscheinlich mit dem Wort “Trotz” zu tun. Trotz wird im Duden definiert als “hartnäckiger Widerstand gegen eine Autorität”. Das bedeutet in dem Fall, das Kind widersetzt sich den Forderungen eines Erwachsenen und reagiert mit Wut oder eben Trotz. Das ist allerdings eine sehr veraltete und bestenfalls längst überholte Sichtweise.

Trotzphase oder Autonomiephase?

Um dir das zu verdeutlichen machen wir eine kleine Zeitreise:
Wenn du an die Elterngenerationen der letzten 20-40 Jahre zurückdenkst und sie mit den heutigen vergleichst, fällt dir vielleicht Folgendes auf: Die Erziehungsziele von früher und heute unterscheiden sich deutlich.
Bei der Erziehung unserer Eltern und Großeltern stand meist Gehorsamkeit im Vordergrund. Das Kind musste hören und tun, was der Erwachsene verlangte. Egal ob Zuhause oder in der Schule, oft wurden Kinder hart bestraft, die “aus der Reihe tanzten”.
Bereits von Kleinkindern wurde Gehorsam erwartet und dass sie immer brav die Regeln einhalten. Es war nicht gewünscht, dass das Kind seinen eigenen Kopf durchsetzt und seinen eigenen Willen entwickelt. Meistens mussten sich die Kinder anpassen und haben nur durch Angst vor Strafen gelernt, bestimmtes Verhalten zu vermeiden.

Im Hinblick darauf wurde das Wort “Trotzphase” statt Autonomiephase genutzt. Das Kind “trotzt” den Erwachsenen und widersetzt sich der Autorität. Es legt ein Verhalten an den Tag, das von Erwachsenen als unerwünscht und negativ gewertet wird.

Die Autonomiephase

Im Gegensatz dazu bedeutet Autonomie “Unabhängigkeit, Selbständigkeit und Willensfreiheit”. Meiner Meinung nach drückt das viel besser aus, worum es in den Jahren der Autonomiephase wirklich geht. Sie ist Teil der kindlichen Entwicklung und ein natürlicher Prozess, den in der Regel jedes Kind durchläuft. Denn die Kleinkindzeit ist die Phase, in der dein Kind Eigenständigkeit entwickelt und sich ausprobieren möchte. Es beginnt, sich als eigene Person wahrzunehmen.

Wenn du dir dein Kind anschaust, denkst du es ist in der Lage, alle Erwartungen die im Alltag auf es einprasseln zu erfüllen? Ich bin mir sicher, dass es das nicht ist.
Es hat Ideen, wie es seinen Alltag gestalten möchte und es gibt so vieles zu lernen und zu entdecken! Sei es das Eingießen von Wasser, das alleinige Anziehen, oder wie schön die Stifte auf der Tapete malen.
Dein Kleinkind stößt im Alltag immer wieder an seine Grenzen. Sei es sprachlich (es kann dir noch nicht sagen, was es möchte) oder motorisch (der Reißverschluss will sich einfach nicht hochziehen lassen). Es möchte Autonomie, also Selbständigkeit leben, ist aber oft noch nicht in der Lage dazu. So können Wutanfälle und emotionale Ausbrüche entstehen.

Deine Aufgabe ist es, dein Kind in diesen Zeiten bestmöglich zu begleiten und dein Herz offen zu lassen, für den Prozess dieser Entwicklung. Damit meine ich, dass du versuchst, das Verhalten deines Kindes nicht negativ und mit “Trotz” zu bewerten. Sondern den Wachstum dahinter zu erkennen und zu verstehen.
Während dein Kind sich in Selbständigkeit übt, muss es viele Herausforderungen meistern. Klar, dass dann auch mal Frust aufkommt, oder? Aber besonders wenn du dir wünschst, dass dein Kind (früher oder später) im Alltag selbständig wird ist es wichtig, dass du ihm Freiheiten zum Ausprobieren lässt.

Ganz anders als bei der Sichtweise als “Trotzphase” (Erinnerung: “hartnäckiger Widerstand gegen eine Autorität”), ist es also vielmehr so, dass dein Kind sich entwickelt. Und das ist etwas Wundervolles, auch wenn es herausfordernde Zeiten für euch als Familie sein können.

Wenn du die beiden Ausdrücke und die Bedeutung dahinter vergleichst wird also klar:
Trotzphase” ist der falsche Ausdruck und rückt unsere Kinder in ein falsches Licht. Die negativ behafteten Gedanken, die man mit Trotz und Bockigkeit verbindet, treffen nicht das, was Kinder in dieser Zeit erleben.

Autonomiephase” ist wertschätzender und angemessener für das, was dein Kind in dieser Zeit erlebt. Es trotzt nicht, es lernt! Es stößt an Grenzen und lernt mit seinen Emotionen umzugehen. Die Autonomiephase bezeichnet den Ablöseprozess deines Kindes von dir –  ein wichtiger Schritt für die weitere Entwicklung.
Als Mama von drei Kindern kann ich dich beruhigen: Auch diese Zeit geht vorbei.

Die kindliche Entwicklung verstehen

Ich weiß, nicht jede:r von uns ist mit endloser Geduld gesegnet. Bedürfnisse kollidieren und manchmal ist es auch schlicht und einfach zeitlicher Druck im Alltag, der uns die Bedürfnisse unseres Kindes übersehen oder auch übergehen lässt. Es kommt zum Gefühlsausbruch deines Kindes und ruhig bleiben fällt nicht immer leicht.
Damit du verstehen kannst, was sich im Inneren deines Kindes abspielt ist es wichtig zu wissen:
Das Gehirn eines Kleinkindes ist noch lange nicht fertig entwickelt. Diese Entwicklung dauert bis in die 20er Lebensjahre hinein an.

Der rationale Bereich und der emotionale Bereich des menschlichen Gehirns agieren getrennt voneinander. Das bedeutet, wenn dein Kind gerade einen Wutanfall hat, befindet es sich im emotionalen Teil seines Gehirns. Der rationale Teil ist ausgeschaltet, weswegen es nicht verstehen wird, wenn du auf es einredest und ihm Dinge erklärst. In diesem Moment sind logische Handlungen ausgeschlossen! Es kann sich nicht einfach beruhigen! Erst wenn der Gefühlsausbruch abebbt ist es wieder in der Lage den rationalen Teil des Gehirns zu nutzen und sich (je nach Alter) auf ein Gespräch einzulassen.
Daher braucht es dich, damit du ihm hilfst, diese emotionale Achterbahnfahrt der Gefühle regulieren zu lernen.

In der veralteten Ansicht der Trotzphase versuchte man das mit Strafen. Es geht aber vielmehr darum, deinem Kind Hilfe und Unterstützung zu bieten, sein Fels in der Brandung zu sein, statt es deinem Willen zu unterwerfen.

Dazu ein Beispiel:

Es ist Schlafenszeit und du hast deinem Kind gerade eine Geschichte vorgelesen. Es möchte noch eine Geschichte hören, aber du bist so richtig erschöpft vom Tag und dein Hals ist auch schon ganz trocken. Keine Chance, dein Akku ist einfach leer.
Du sagst deinem Kind, dass du keine zweite Geschichte liest und es fängt an zu weinen.

Eine mögliche Reaktion aus Haltung der Trotzphase wäre: “Auf keinen Fall lese ich dir noch was vor! Eine Geschichte reicht, jetzt wird geschlafen! Und wenn das nicht klappt, gibt es morgen gar keine Geschichte mehr!”.

Im Gegensatz dazu kann eine Reaktion aus Haltung der Autonomiephase sein: “Ich weiß du findest jetzt blöd, dass ich nicht weiter lesen kann und das macht dich wütend und traurig. Wollen wir noch ein bisschen kuscheln? Oder darf ich ein Hörspiel anmachen?”

Ich glaube das macht den Unterschied zwischen Trotzphase und Autonomiephase recht deutlich, oder?

Deine Haltung zur Trotzphase/Autonomiephase

Sprache bzw die Wortwahl, die du für diese Phase der Entwicklung deines Kindes nutzt, sagen also sehr viel über deine innere Haltung zu dem Thema aus.

Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Artikel die Unterschiede deutlich machen, denn je positiver deine Haltung gegenüber dieser Phase ist, desto wertschätzender wirst du mit deinem Kind umgehen können, wenn es von der Wut überrollt wird.
Dass du eine solche Haltung vertrittst heißt nicht, dass du automatisch immer die Ruhe selbst bist und alles perfekt machst! Perfekt gibt es nicht. Aber du entscheidest, aus welchem Blickwinkel du dein Kind und seine Entwicklung betrachtest. Du entscheidest, welche Worte du nutzt, um deine Ansicht zu unterstreichen. Und ich bin mir sicher, sobald wir den Blickwinkel ändern, habe wir auch mehr Verständnis für unsere Kinder.

Für Tipps, wie du dein Kind in dieser Zeit begleiten kannst, lies’ dir direkt noch meinen Artikel “Autonomiephase bei Kleinkindern” durch.

Du kannst auch hier direkt in meine Podcast Folge „Die Autonomiephase verstehen und gelassen meistern“ rein hören:

Wenn du dir Unterstützung und Begleitung in dieser herausfordernden Zeit wünschst, dann komme gerne in meinen Online-Kurs „Gelassen durch die Kleinkindzeit“. Inspirationen für den Alltag findest du auf Instagram und in meinem Podcast.

Hast du noch Fragen? Dann schreibe sie gerne in die Kommentare, ich bin gespannt!
Und nicht vergessen,

alles wird gut,

Ines

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