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Über das Grenzen setzen und was unsere Kinder eigentlich brauchen

Fragst du dich auch manchmal, welche Grenzen du eigentlich setzten musst? Bist du verunsichert von Aussagen wie „Kinder testen Grenzen“ oder „Kinder brauchen Grenzen“? In diesem Artikel werde ich das Thema Grenzen unter die Lupe nehmen und euch hoffentlich eine neue Perspektive aufzeigen.
Was sind Grenzen eigentlich? Welche Grenzen sind gemeint und wann und wie muss ich die Grenzen denn nun ziehen in meiner Erziehung? Wie viel Strenge oder Konsequenz ist nötig? Fragen, die wir uns alle irgendwann einmal gestellt haben. Zunächst sollten wir überlegen welche Grenzen denn da überhaupt gemeint sein könnten.

Grenzen gibt es immer und überall

Wir alle stoßen in unserem Alltag auf Grenzen. Wir alle haben persönliche Grenzen und diese sind zudem noch total individuell. Achtung Spoiler: Es gibt nämlich keine allgemein gültigen Aussagen, die auf alle Kinder und alle Eltern zu treffen!

Das Kinder Grenzen testen und/oder welche benötigen liest und hört man immer wieder mal wenn man sich mit dem Thema Erziehung beschäftigt. Dieser Glaubenssatz hält sich leider von Generation zu Generation sehr hartnäckig. Dabei ist diese Aussage so unspezifisch.

Mein Verständnis von dieser eher klassischen Aussage ist, dass Eltern Grenzen, als Instrument des Maßregelns benutzen sollen um ihre Erziehung durch zu setzen. Ich denke da an sowas wie: „Es ist ja ok, wenn die Kinder mit Wasser spielen aber wenn das Ganze Bad unter Wasser steht ist auch mal eine Grenze erreicht.“ Der Wunsch nach Kontrolle, Autorität ja vielleicht sogar Orientierung.

Dem stimme ich sogar zu und gleichzeitig auch wieder nicht. Am Beispiel vom Bad ist dann nämlich die Grenze von der Mama erreicht, weil sie z.B. erschöpft oder müde ist. Diese Erschöpfungsgrenze kann übrigens an einem anderen Tag wo anders liegen kann. Sie ist also individuell und hängt auch immer mit unserem eigenen Wohlbefinden zusammen.

Grenzen sind individuell. Kinder haben Grenzen. Wir Eltern haben Grenzen. Jeder hat Grenzen und zwar ganz unterschiedliche. Um den dänischen Familientherapeut Jesper Juul zu zitieren: „Wenn Eltern anfangen für ihre eigenen Grenzen einzustehen, erleben Kinder ganz automatisch welche.“

Die Interpretation von der Aussage Kinder brauchen Grenzen ist also schlichtweg falsch. Sie brauchen keine, sie haben ihre eigenen individuellen Grenzen und sie erleben im täglichen, sozialen Miteinander auch die Grenzen von anderen. Dazu kommt, dass Kinder auf viel mehr natürliche Grenzen stoßen, allein schon durch ihre Körpergröße (zum Beispiel obere Küchenschränke). Was übrigens wiederum zu Frust führen kann, der dann eventuell nicht direkt raus kommt aber im Inneren schlummert.
Die Frage, die wir uns also stellen sollten, ist doch: Brauchen Kinder wirklich noch willkürliche Grenzen nur um Grenzen zu erfahren?

Sind unsere Kinder mangelhaft?

Was dem noch zu Grunde liegt, ist auch die Annahme, dass Kinder nicht gut sind, mangelhaft, ein Defizit haben den wir mit Grenzen setzen ausgleichen müssen. Wir müssten ihnen mit Strafen und konsequentem Handeln beibringen wie sie sich zu verhalten haben.

In den letzten Jahren hat die Bedeutung von Bedürfnis- und Beziehungsorientierter Erziehung immer mehr an Bedeutung gewonnen. Kinder gewinnen an Kompetenz. Wir kommen so langsam weg von den ganzen alten „Glaubenssätzen“ die sich oft noch in uns halten. Trotz aller Theorie ist es nicht leicht unsere eigene Erziehungslast abzulegen. Oft kommen wir in Situationen in der eine leise Stimme im Kopf sagt: “Also das geht jetzt aber wirklich nicht, lass dir das nicht gefallen.“ „Jetzt musst du mal eine Grenze setzen.“ Das berühmte „Sie werden dir noch auf der Nase tanzen“ 😉

Diese Verunsicherung trifft uns auch immer dann, wenn es am unpassendsten ist. Wenn wir doch eigentlich gelassen und besonnen reagieren wollen. Zum Beispiel weil die Wand im Wohnzimmer bemalt wurde.
Das alles ist ok, es ist ok in Situationen nicht sofort reagieren zu können oder nicht so, wie wir es uns eigentlich wünschen würden.

Zu der Sache mit der Wand. Tatsache ist, die Wand ist jetzt bemalt. Ändern kannst du es nicht mehr, auch die Kinder können es nicht ändern. Bringt uns eine Strafe jetzt weiter? Fühlst du dich besser, wenn du schimpfst?

Was würde helfen? Was hilft den Kindern? Wie fühlen sich die Kinder? Ist die bemalte Wand wirklich so schlimm? Versteht mich nicht falsch, es ist vollkommen in Ordnung, wenn du nicht willst das eure Wände bemalt werden. Das wäre dann eine Grenze für dich. Deine ganz persönliche und das ist ok. Was nicht ok ist, wenn wir unsere Grenzen durchsetzen und dafür die von anderen übertreten. In dem wir gemein werden zum Beispiel, laut und fies zu unseren Kindern.

Du kannst dich also ruhig über die bemalte Wand ärgern und dann in Ruhe deinen Kindern vermitteln warum du das nicht möchtest. Alternativen zum Malen bieten und vielleicht auch gemeinsam nach Lösungen suchen zum wieder gut machen.

Du kannst auch mal fünfe gerade sein lassen. Vor allem in stressigen Zeiten. Warum haben die Kinder die Wand bemalt? Haben sie sich allein beschäftigt, weil du Ruhe wolltest oder arbeiten musstest? Klar ist es blöde, wenn du für eine Stunde Arbeitszeit hinterher mehr Chaos hast. Nur ist das Dilemma eben, dass ihr alle gemeinsam in dieser Situation steckt. Du musst arbeiten und die Kinder langweilen sich – sie haben sich eine kreative Aufgabe gesucht und etwas erschaffen. Dass das nun nicht deinen Vorstellungen entspricht ist wohl erstmal dein Problem 😉

Sind Grenzen unveränderbar?

Oft denken wir ja, wenn wir mal eine Grenze oder eine Regel festgelegt haben, dann ist die jetzt für immer so und unumstößlich. Wenn wir uns genauer damit beschäftigen, merken wir schnell, dass Grenzen eben nicht nur fest und unumstößlich oder gar unveränderlich sind. Denken wir doch mal an Ländergrenzen. Viele Landesgrenzen verlaufen ganz natürlich zum Beispiel entlang eines Flusses. Dieser ist uneben, voller Kurven und verändert sich außerdem im Laufe der Jahre. Zusätzlich sind Grenzen auch nie ganz dicht, Schlupflöcher gibt es immer – wenn man denn eines finden will. Und sie sind eben veränderbar / verhandelbar. Das ist es auch was den Umgang mit Regeln ausmacht in einer Familie.
Solange unsere Kinder ganz klein sind, legen wir die Regeln fest. Zum Beispiel, dass nicht in die Steckdose gefasst wird oder das Wände nicht bemalt werden. Die Kinder haben zunächst keinerlei Mitspracherecht, allerdings verändern sich die Bedürfnisse von uns und unseren Kindern. Situationen ändern sich. Also müssen wir auch regelmäßig schauen, ob alles noch so passt für alle, oder ob wir neu justieren müssen.

Soziale Regeln

Dann gibt es auch noch die Regeln im sozialen Miteinander. Normen und gesellschaftliche Gepflogenheiten – die sich wiederum von Kultur zu Kultur unterscheiden. Zum Beispiel das Tragen von Mund-Nasen-Schutz ist in asiatischen Ländern Normalität und gehört dazu um andere zu schützen. Bei uns ist es nach wie vor komisch. Ein anderes schönes Beispiel ist, dass wir uns in einem Laden an der Kasse hinten in die Schlange stellen. Das wird einfach so gemacht, ist normal für uns und wird im Alltag gelebt.

Auch gibt es im Leben eines jeden Menschen Grenzen und Konsequenzen, die sein Handeln mit sich bringt. Wenn ich x mache passiert y.

Die Geschichte von Max und Paul

Eine Situation die sicherlich allen Kleinkind Eltern bekannt vorkommt und auch alle schon mal in der einen oder anderen Variante erlebt haben. Auch eines meiner Lieblingsbeispiele, weil es so wunderbar dazu einlädt es mal aus der Perspektive des Kindes zu sehen.

Max und Paul sitzen im Sandkasten und buddeln fröhlich mit ihren Schaufeln. Scheinbar aus dem nichts, haut Paul dem Max die Schaufel auf den Kopf. Max weint, beide Mamas springen sofort auf. Reagieren entsetzt, gehen zu den Kindern. Paul erfährt und lernt in diesem Moment schon unendlich viel.

Nämlich wie sich die Schaufel auf Max‘s Kopf anhört. Es klingt anders als auf dem Eimer. Ganz so lustig wie erwartet ist es aber irgendwie nicht. Max weint jetzt und das ist laut. Mama ist ganz schön böse und die Mama von Max guckt auch komisch.

Vielleicht geht Max jetzt auch erstmal wo anders hin und spielt gar nicht mehr mit. Das alles bekommt Paul mit. Paul hat also gelernt, dass sein Handeln Konsequenzen hat. Ganz natürlich.

Was nicht natürlich wäre: Mit Paul nach Hause zu gehen, weil er Max gehauen hat. Das ist keine natürliche Konsequenz! Das ist keine logische Schlussfolgerung. Das Max weint und traurig ist, und dass die Mamas bestürzt reagieren, das sind logische Konsequenzen.

Das wird gerne verwechselt oder eben absichtlich herbeigeführt. Damit das Kind lernt, dass sein Handeln nicht ohne Folgen bleibt. Das hat Paul auf jeden Fall gemerkt.

Unser Gehirn braucht Wiederholung zum Lernen.

Das meinte ich mit der Fehldeutung des Satzes „Kinder brauchen Grenzen“. Denn selbstverständlich erleben Kinder all dies im sozialen Miteinander, aber sie erleben es in der jeweils natürlichen, also ohnehin vorhandenen Form. Ohne die Notwendigkeit von künstlich herbei geführten Konsequenzen oder Strafen.

Meine Grenzen, deine Grenzen

Es bedeutet nicht selten Frust, wenn wir für unsere Grenzen einstehen. Besonders wenn wir auf einmal damit anfangen. Wenn wir sagen, wir sind zu müde zum Spielen, oder wir wollen erst unseren Kaffee austrinken bevor wir weiterspielen, oder wir wollen nach der dritten Geschichte nicht weiterlesen. Das ist ok. Es ist vollkommen ok, dass wir unsere Grenzen setzten und es ist ok, dass die Kinder das doof finden. „Nein aus Liebe“ – vor allem aus Liebe zu uns selbst.

Wenn wir zu oft und zu lange über unsere eigenen Grenzen gehen und keinen Ausgleich dafür finden, schlägt sich das wiederrum auf die Stimmung in der ganzen Familie nieder. Damit ist keinem geholfen. Du hast dann vielleicht kurz bessere Stimmung, weil du weiterliest und dein Kind zufrieden ist, nur irgendwann melden sich diese unerfüllten Bedürfnisse und dann kann es sein, dass du an einem Abend eben nicht mehr weiterliest und stattdessen dein Kind beschimpfst: es solle jetzt doch mal zufrieden sein.

Es ist so wichtig, dass wir Eltern uns mit unseren persönlichen Grenzen beschäftigen und anfangen für diese einzustehen.

Für die Beziehung zu unseren Kindern sollten wir versuchen friedliche Lösungen und Kompromisse zu finden. Alternativen, die für die Kinder und für dich ok sind.

Wenn es dich stresst, dass dein Kind mit Essen matscht – Dann kann dein Partner mit dem Kind essen.
Wenn dich der Flur voller Sand stört, dann kann ein Sandeimer vor der Tür Abhilfe schaffen in dem die Schuhe ausgeleert werden.
Du möchtest keine bemalten Wände? Vielleicht sind große Papierbahnen an der Wand oder dem Boden zum Malen eine Alternative für dein Kind.
Du liest nicht gerne vor. Die Oma schon? Dann ab zur Oma die dann ganz viele Geschichten vorliest.
Wenn ihr merkt, dass euch eine Sache immer wieder stresst, könnt ihr nach Alternativen suchen.

Bei uns übernimmt das abendliche Zähneputzen mein Mann, weil es mich enorm stresst am Abend im kleinen Bad mit drei Kindern zu sein. Die rum quatschen, durcheinander wuseln und zum Putzen noch bespaßt werden wollen. Das pack ich abends einfach nicht mehr. Und wenn es gar nicht geht oder mein Mann nicht da ist, dann fällt es eben auch mal aus und wir putzen wann anders oder im Bett oder so…

Also seid mutig. Findet heraus wo eure Grenzen sind, versucht Alternativen zu finden und wenn nicht, dann begleitet eure Kinder und seid trotzdem für sie da.

Grenzen setzen aber richtig

Was Kinder brauchen sind Eltern, die ihre eigenen Grenzen kennen und dafür einstehen. Die authentisch sind und ihre Kinder dabei begleiten, wenn sie auf Grenzen treffen. Wie machen wir das nun?

Fangen wir damit an, unser Mindset zu ändern. Wir müssen unseren Kindern eben keine Grenzen setzten, sondern wir dürfen sie begleiten und ihnen Grenzen zeigen. Was braucht es dazu?
Kommunikation auf Augenhöhe zum Beispiel und ehrliches Interesse an unseren Kindern. Interesse daran ihr Verhalten zu hinterfragen und der Wille heraus zu finden, was sie brauchen. Um noch mal auf das Beispiel mit Max und Paul zurück zu kommen. Hier ist viel Begleitung von den Eltern gefragt. Max muss getröstet werden. Paul eventuell auch, weil er erschrocken ist über die Reaktionen. Dann können wir mit Paul reden. „Max auf den Kopf zu hauen, tut ihm weh. Was hattest du denn vor?“
Paul kann sich geärgert haben oder er wollte Max Aufmerksamkeit. Er wollte herausfinden wie sich die Schaufel auf dem Kopf anhört und anfühlt im Unterschied zum Eimer. Es kann auch einfach im Überschwang passiert sein. Durch Nachfragen und das Beschreiben der Situation habt ihr die Möglichkeit heraus zu finden, was passiert ist und dann zu handeln. Jetzt ist es natürlich gerade bei kleinen Kindern, die noch wenig reden nicht ganz einfach. Dennoch, ihr kennt euer Kind und anhand von Körperreaktionen könnt ihr sicher auch was ableiten.

Meine Erfahrung ist, das meistens doch ein erleichtertes Ja rauskommt, wenn ich das Zutreffende wiederholt habe. Wichtig ist, dass ihr so neutral wie möglich das Geschehene beschreibt. Das ist nicht einfach und braucht Übung. Bewerten wir die Situation doch (oft vorschnell), aufgrund unserer eigenen Erfahrungen oder dem was wir denken was andere jetzt erwarten.

Wir brauchen also nicht sofort eine Lösung oder müssen ins Handeln kommen, gerade wenn wir selbst unsicher sind reicht es erstmal zu trösten und die Situation neutral zu beschreiben.

Persönliche Grenzen

Für die eigenen Grenzen einstehen und dabei nicht die von anderen verletzten. Ich ziehe eine Grenze für mich – aus Selbstliebe oder auch aus Schutz. Das bedeutet eben nicht, dass ich gleichzeitig die von anderen dafür überschreiten darf. Eine Grenze ist immer dann erreicht, wenn die von jemand anderen beginnt. Dass das individuell und unterschiedlich ist, hatte ich ja bereits erklärt.
Wenn ich also persönliche Grenzen setzte kann das durchaus zu Frust führen und das ist ok, jetzt kommt es darauf an wie ich reagiere. Beschreibt wie das Kind sich fühlt, wenn es die Grenze von jemand anderem erreicht.

„Du bist traurig, weil ich nicht mehr vorlesen will. Das versteh ich. Es ist immer so gemütlich, wenn wir zusammen kuscheln und vorlesen. Geht es heute nur mit kuscheln? Oder darf ich ein Hörspiel anmachen?“
So helfen wir unseren Kindern des Geschehen und ihre Gefühle einzuordnen.
Was mache ich aber, wenn mein Kind wütend wird und mich haut. Auch da gilt wieder, stehe für deine Grenze ein.
„Es ist ok, dass du wütend bist, gleichzeitig möchte ich nicht gehauen werden. Du kannst in ein Kissen boxen.“
Du kannst dein Kind dann auch in einen Kampf verwickeln, eine Kissenschlacht daraus machen oder ein Tobespiel. Auch hier wieder Achtung: es geht nicht darum, dass wir die Wut unseres Kindes nicht annehmen oder sie weghaben wollen. Nein, vielmehr geht es darum, dass wir mit und für unser Kind einen Weg finden die Wut raus zu lassen.
Es darf wütend sein, es darf doof finden, dass du nein gesagt hast. Gleichzeitig ist hier der Punkt aufzuzeigen, dass die Grenzen von anderen eben nicht überschritten werden dürfen.
Persönliche Grenzen sind eben persönlich. Es kommt auf die Intention an aus der wir handeln. Wir sollten uns fragen: Verbieten wir etwas, weil „man“ das halt so macht? Oder zeigen wir unsere Grenze auf? Die Handlung kann die gleiche sein. Nur die Intention ist es nicht und auf die kommt es eben an. Denn wir fühlen uns nur dann wohl damit, wenn wir für uns handeln und nicht für andere oder für das was andere vermeintlich erwarten.

Wenn Grenzen überschritten werden

Ich möchte auch noch mal deutlich machen, dass ich kein Freund bin von „Grenzen müssen eben sein“. Genau diese Formulierungen führen zu Missverständnissen. Grenzen müssen nicht sein, Grenzen sind da! Wir müssen lernen unsere Bedürfnisse zu(er)kennen und dann unsere Kinder zubegleiten, wenn sie auf Grenzen stoßen – auf unsere oder auf die von anderen oder auch auf natürliche Grenzen (zum Beispiel wenn die Haustür nicht aufgeht).

Was passiert, wenn ich mich nicht an soziale Regeln halten

Wenn ihr euch an der Supermarkt Schlange vordrängelt wird es höchst wahrscheinlich Maßregelung von den anderen Wartenden geben. Vielleicht machst du das dann einmal oder zweimal. Nur mit was für einem Gefühl? Aus der Gesellschaft ausgestoßen zu werden, möchte keiner von uns. Wir erinnern uns, wir sind alle sozialen Wesen und die Akzeptanz innerhalb einer Gesellschaft gehört zu unseren Grundbedürfnissen.

Wir leben unseren Kindern also das soziale Miteinander vor und eventuell begleiten und erklären wir. Zum Beispiel warum wir anstehen, dass die anderen auch warten und bezahlen wollen.
Dasselbe gilt auch für Bitte und Danke sagen. Vorleben und im Zweifel die ersten Jahre für dein Kind „Danke“ sagen. An der Stelle fragt euch auch gerne für wen braucht ihr das? Für wen möchtet ihr das euer Kind sich bedankt? Welches Gefühl gibt euch das? Unsere Kinder sind nicht dafür da unseren Selbstwert zu stärken. Brauchst du brave und angepasste Kinder damit du besser dastehst?

Ein häufiger Einwand, wenn Kinder jetzt keine Regeln lernen, dann halten sie sich nie dran, es gibt ja im späteren Leben auch Regeln.

In unserer aktuellen Situation mit Corona sehen wir sehr gut, was passiert, wenn wir uns nicht an Regeln halten. Es werden Strafen verhangen. Neudeutsch auch Sanktionen oder Konsequenzen genannt. Das ist das was wir gelernt haben, und wenn die Regel gebrochen wird gibt es eine neue Regel.

Strafen oder Konsequenzen?!

Schauen wir uns doch noch mal an wie Strafen funktionieren. In Erwartung einer Strafe handeln wir extrinsisch motiviert, also von außen. Aber eben nicht, weil der Sinn verstanden wurde.
Regeln sind zum Wohle aller da. Zum Beispiel in einer Schulklasse könnte es die Regel geben: „Wir lassen einander ausreden“. Das macht Sinn und schützt auch mich selbst, wenn ich reden möchte. Sie ist also im Interesse aller da.

Noch mal zur Verdeutlichung den Unterschied einer Strafe und Konsequenzen:

  • Dein Kind geht bei Regen ohne Jacke raus, also wird es nass = logische/ natürliche Konsequenzen
  • Dein Kind will keine Jacke anziehen obwohl es regnet und darf nicht zur Oma/ zum Freund/ zum Spielplatz = Strafe

Wird gerne Konsequenz genannt, ist aber keine.

Im Duden steht zu Konsequenzen folgendes: Folgerichtigkeit, Logik, Schlüssigkeit; Ergebnis, Folge, Wirkung.

Im Vergleich dazu die Strafe: „Etwas, womit jemand bestraft wird, was jemandem zur Vergeltung, zur Sühne für ein begangenes Unrecht, eine unüberlegte Tat (in Form des Zwangs, etwas Unangenehmes zu tun oder zu erdulden) auferlegt wird!

Der Unterschied ist also ziemlich deutlich erkennbar. Eine Strafe ist willkürlich ausgesucht und soll dem zu Bestrafenden eine Lehre sein. Die Konsequenz ist vielmehr natürlich und tritt so oder so ein.
Oft wird bestraft mit dem Gedanken, dass das Kind dann was lernt. Um zu verstehen, dass diese Annahme falsch ist, müssen wir auch erstmal verstehen, wie lernen eigentlich funktioniert.

Wie wir lernen

Lernen erfolgt intrinsisch, aus innen heraus, zumindest das Lernen bei dem dann auch was hängen bleibt. Es gibt Untersuchung dazu die belegen, dass Kinder sich unter Aufsicht an Regeln halten, aber eben nicht mehr ohne – denn dann ist auch keine Strafe zu erwarten. Und mal ehrlich wir kennen das doch alle von uns selbst. Wir halten uns an die Geschwindigkeitsbeschränkung, wenn wir wissen das ein Blitzer auf der Strecke ist. Ansonsten nehmen wir das auch mal gerne nicht so genau.
Unser Ziel sollte doch also viel mehr sein, dass unsere Kinder intrinsisch motiviert handeln. Weil sie verstanden haben, warum hauen schlecht ist oder den Sinn unserer Regeln im Familienalltag verstehen. Dabei dürfen wir allerdings nicht vergessen, dass vor allem bei Kleinkindern die Impulskontrolle noch nicht voll ausgereift ist. Sprich selbst wenn sie wissen, jetzt zu hauen ist nicht ok, bedeutet das noch lange nicht das sie diesen Impuls kontrollieren und umlenken können. Und wenn sie es schaffen, ist das eine riesige Leistung!!

Vorleben und üben

Geduld haben und nicht zu schnell erwarten, dass sich was ändert. Erklären und dann immer wieder dieselbe Situation geduldig begleiten. Die beliebte Steckdose zum Beispiel. Erklären, Stopp oder nein sagen und dann die nächsten 100x freundlich das Kind wegnehmen und kein großes Aufheben drum machen. Denn was ist spannender als etwas, wo ich nicht ran darf und worüber Erwachsene jedes Mal aufgebracht reagieren.

Im Kleinkind Alter ist Vermeiden übrigens eine super Strategie – für eine Weile. Dinge wegzuräumen, Steckdosen sichern (sowieso klar) oder hinter dem Schrank verstecken. Das zu Hause vorübergehend so umzuräumen, dass das Kind an gefährliche Dinge nicht rankommt. Ich weiß, ich weiß, die ersten denken jetzt wieder: Aber so lernt das Kind ja nie das es etwas nicht darf 😉
Fragt euch einfach was ist euch wichtig? Und um was geht es euch wirklich? Ist euch die Vitrine mit der Glastür absolut heilig, weil es sich um ein liebgewonnenes Erbstück handelt? Dann ist absichern oder für eine Weile wegräumen eine Möglichkeit, die ihr in Betracht ziehen solltet.

Wenn wir uns in einer Umgebung wohl und gut fühlen, können wir besser lernen. Unter Stress und Anspannung können wir nicht lernen. Dann ist unser Gehirn mit etwas ganz anderem beschäftigt. Dauernd ein „Nein“ zu hören oder im Entdeckungsdrang unterbrochen zu werden, führt zu Stress und Frustration.

Was wir brauchen ist ein gesellschaftlicher Wandel um uns frei zu machen von der Erwartung Kinder bräuchten Grenzen, Regeln und Strafen!

Alles wird gut,

Deine Ines

 

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Mein Podcast

Höre dir zu dem Thema auch gerne meinen Podcast an. In den Folgen #2 – #4 habe ich ausführlich über Grenzen und die Begleitung unsere Kinder gesprochen.

 

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